Influencer Marketing auf Musical.ly

Seit einigen Jahren stehen Instagram, Snapchat (mit Abstrichen) und YouTube unangefochten an der Spitze des Influencer Marketings. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die Plattformen voll im Mainstream angekommen sind, von Marketern selbst genutzt werden. Frei nach dem Motto: Investiere nur in das, was du auch verstehst. In genau diesem Punkt hat sich die App Musical.ly bisher noch unter dem Radar gehalten, mit über 10,5 Millionen Nutzern alleine hierzulande ist allerdings fraglich wie lange noch. Grund genug, uns das Werbepotenzial näher anzusehen.

Das Prinzip Musical.ly

Ursprünglich 2014 in China auf den Markt gebracht, zählt Musical.ly inzwischen über 250 Millionen Nutzer, etwa die Hälfte davon in Europa, die andere Hälfte in den USA. Musical.ly existiert nativ als App, am Desktop lassen sich lediglich Profile und Videos anzeigen, nicht aber abspielen. Die Zielgruppe: Teenager im Alter von 14-19 Jahren, im Kern sind die Nutzer von Musical.ly, die so genannten „Muser“, also nochmals jünger als auf Snapchat.

Und so funktioniert Musical.ly: Die App spielt auf Knopfdruck bekannte Musiktitel ab, zu denen die Nutzer ihre Lippen bewegen, tanzen oder sich anderweitig Ausdruck verleihen. Das Ganze wird in Kurzvideos gefilmt, mit Hashtags versehen und geteilt. Inzwischen geht Musical.ly weit über das bloße Synchronisieren von Musiktiteln hinaus, die Muser bewegen ihre Lippen auch zu Comedy-Ausschnitten, untermalen Sport- und Gaming-Ausschnitte mit Musik oder sprechen direkt zu ihren Fans. Der Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und Kreativität steht dabei jedoch immer im Vordergrund. Über die Integration der hauseigenen App live.ly sind inzwischen auch Live-Übertragungen möglich, ebenso lassen sich mehrere Kurzvideos zu einer bis zu 60-sekündigen Story kombinieren. Instagram Stories und Snapchat lassen grüßen.

Die Suche anderer Muser ist per Hashtag, Musiktitel und Username möglich, außerdem führt Musical.ly je Kategorie die beliebtesten Videos in einer Bestenliste auf und macht Vorschläge auf Basis der eigenen Nutzergewohnheiten. Im Gegensatz zu Snapchat gibt sich das Netzwerk also äußerst transparent. Dazu passt auch, dass die Videos anderer Muser jederzeit heruntergeladen werden können, um sie so beliebig zu teilen oder offline noch einmal anzusehen.

Potenziale für Marketer

Die hierzulande wohl bekanntesten Muser dürften Lisa und Lena sein. Durch ihre zumeist englischsprachigen Beiträge sind sie über die Grenzen hinaus bekannt geworden und vereinen aktuell über 27 Millionen Nutzer unter sich – ein Wert, von dem Bibi und Co nur träumen können. Dass Musical.ly folgerichtig im Influencer Marketing mitmischen möchte, haben sich die Verantwortlichen kürzlich selbst auf die Fahne geschrieben. In den kommenden Monaten möchte man die Nutzer der Plattform auf einem „Creator Marketplace“ noch effizienter mit Marken zusammen bringen. Ob hierzu auch die Möglichkeit zählt, Links in Kurzvideos einzubinden, ist nicht klar. Bisher können Muser Beiträge nur liken oder kommentieren.

Erste Marken nutzen das enorme Potenzial der Plattform bereits für sich. Bekanntestes Beispiel ist die 8×4-Kampagne von Beiersdorf aus dem vergangenen Sommer. Passend zu seinen fünf Sondereditionen für das 8×4-Deospray formte Beiersdorf auf Musical.ly fünf Teams mit je einem Influencer als Kapitän. Die Influencer riefen ihre Follower dazu auf, unter dem Hashtag #SprayandPlayChallenge (mitsamt Kampagnen-Song) bzw. dem jeweiligen Team-Hashtag die Düfte kreativ zu interpretieren. Unter allen Einsendungen wurden Überraschungspakete mit signierten Team-Shirts verlost. Das Ergebnis: In nur 5 Tagen wurden über 6.400 Videos eingesendet bei hoher zweistelliger Interaktion.

Beiersdorf hat mit seiner Kampagne alles richtig gemacht: Die Follower-Power der Influencer wurde mit einem kreativen, jedoch leicht verständlichen Wettbewerbs-Ansatz kombiniert, der zugleich die Identifikation der Fanbase stärkte. Der zentrale Hashtag sorgte für die nötige Viralität. Das Beispiel zeigt, dass der Mut neue Ansätze zu gehen belohnt wurde. Zugleich wird deutlich, welche First Mover-Vorteile Marken generieren können, die sich nicht von mangelndem Conversion-Tracking oder Unkenntnis der Plattform abschrecken lassen. Dass 8×4 kein Einzelfall ist, zeigt im Übrigen auch die #KitKatChallenge von Nestlé, die bereits im November 2016 für über 20.000 Teilnehmerbeiträge sorgte. Ein herausragender Wert auf Social Media.

Die Chance nutzen

Marken, die mit ihren Produkten eine junge Zielgruppe ansprechen, sollten sich Musical.ly unbedingt näher anschauen. Gerade weil die App zugänglicher ist als Snapchat und klare Alleinstellungsmerkmale in Sachen Content bietet, können Marketer hier mit etwas Feingefühl interaktionsreiche, gänzlich neuartige Kampagnen auf die Beine stellen. Noch tummeln sich auf Musical.ly nur wenige Wettbewerber, das dürfte sich jedoch spätestens mit der Einführung des angesprochenen Marktplatzes ändern. Dann könnte sich die App ebenso fest im Werbe-Mainstream etablieren wie bereits heute Instagram und Co.

Influencer Marketing Trends 2018

Innerhalb kurzer Zeit scheint sich Influencer Marketing von einer Mode-Erscheinung zum festen Bestandteil im Marketing-Mix entwickelt zu haben. Immer mehr Marken nähern sich der Werbeform an, nicht zuletzt beweisen jüngste Studien: Influencer Marketing funktioniert. Rund ein Drittel derer, die Influencern folgen, haben mindestens schon einmal ein beworbenes Produkt gekauft oder einen Service gebucht.

Doch gerade wegen seiner noch jungen Historie befindet sich Influencer Marketing im ständigen Wandel. Alle wollen einen Teil vom Kuchen, neue technologische Trends heizen die Professionalisierung an, die Vielzahl an Marktteilnehmern bringt Best, aber auch Worst Practices hervor. So könnte 2018 das Jahr werden, in dem die Werbedisziplin erwachsen wird – mit starken Werbebotschaftern, neuartigen Kooperationen und mehr Transparenz. Wir wagen einen Blick auf die Influencer Marketing Trends für die kommenden Monate:

Langfristigkeit und Exklusivität

Im Zuge der Professionalisierung des Marktes wird auch die Kennzeichnungspflicht von Werbebeiträgen immer rigoroser durchgesetzt. Influencer, die tagtäglich mit etlichen Kooperationspartnern jongliert haben, müssen ihre Zusammenarbeiten jetzt offen legen – und wecken damit den Eindruck, dass schnelles Geld vor echter Identifikation steht. Auch mit plumpen Produktplatzierungen, von Coral bis Milka, haben Influencer zuletzt Kopf und Kragen riskiert und damit ihre hart erarbeitete Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt. Kooperationen dürften daher in Zukunft langfristiger werden, Exklusivität geht über Rotation. Nur so können Influencer auf lange Sicht ihre Authentizität wahren und von eingespielten Marken-  bzw. Geschäftsbeziehungen profitieren.

Vielseitigere Kooperationen

Das Gros der Influencer-Kampagnen konzentriert sich noch immer auf einfache Produktplatzierungen. Das könnte auf Dauer zu einer Übersättigung des Marktes und damit Langeweile unter den Zuschauern führen. Gerade wer Influencer langfristig an sich bindet, muss die Vermarktungsformen variieren, die Follower mit immer neuem Content bespielen und zu experimentieren bereit sein. Das gelingt etwa mit Community-Aktionen, Besuchen des Influencers in den Büros der Marke oder der Einbindung als Testimonial in Print und TV. Immer häufiger gehen Marken auch zu Co-Brandings mit Influencern über und entwickeln gemeinsam Produkte. Infolge exklusiver Zusammenarbeiten dürfte die Verschmelzung von Marke und Influencer somit weiter voranschreiten.

Big Data Support

Die Technologisierung der Branche zählt zu den fortwährenden Influencer Marketing Trends der vergangenen Jahre. Schon heute ermöglichen Tools das Auslesen von Wachstums- und Interaktionsraten oder machen Vorschläge bei der Influencer-Recherche. Die Vor- und Nachbereitung von Kampagnen ist komplex, das Auswerten der entsprechenden Datenpunkte über mehrere Meinungsführer und Kanäle mühselig. In Zukunft dürften sich Marketer daher noch stärker auf den eigentlichen Kern von Influencer Marketing konzentrieren, dem Aufbau von gesunden Beziehungen auf Augenhöhe, und die Aggregation und Aufbereitung des dazu notwendigen Datengerüsts an entsprechende Plattformen auslagern.

Mehr Transparenz

Die Bedeutung der Kennzeichnungspflicht ist das eine, das Mysterium „Reichweite“ das andere. Die vermeintliche Intransparenz von Influencer Marketing ist eine der größten Hemmschwellen für alteingesessene Unternehmen. Wieviele der Hunderttausend Follower sehen tatsächlich einen Foto-Beitrag des Influencers oder ein Unboxing in einer Story? Hier schlägt Instagram mit seinem Branded Content Tool gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Influencer markieren so ihre Postings als Werbeanzeige und erlauben der Marke zugleich Zugriff auf alle relevanten Daten. Die Nutzung des Tools dürfte zunehmend zum Standard werden und nicht nur als Vorbild für andere Plattformen dienen, sondern das Potenzial von Influencern mit einem realen Zahlengerüst untermauern.

Video First

Die Nutzung von Stories als authentischem Gegenpol zur sonst so perfekten Influencer-Welt hält bereits seit einigen Monaten an – Snapchat hat es ursprünglich vorgemacht, Instagram aber auch WhatsApp und Facebook sind mit ihren eigenen Ansätzen gefolgt. Live-Übertragungen werden dieser neuen Nahbarkeit die Krone aufsetzen. Bereits heute wird Live-Content auf allen Social Media-Kanälen bevorzugt beworben, mit YouNow und Twitch existieren seit geraumer Zeit sogar dedizierte Plattformen. Influencer und Marken gleichermaßen werden sich die ultimative Authentizität zunutze machen: Mit Live-Q&As, Übertragungen von Release-Parties oder gemeinsamen Workouts.

Die genannten Influencer Marketing Trends zeigen: Die Disziplin hat noch jede Menge vor sich. Gerade im schnelllebigen Geschäft von Social Media werden Marken auch in der Werbung mit Meinungsführern immer wieder zum Umdenken gezwungen, müssen sich zwangsweise neu erfinden. So könnte sich Influencer Marketing mittelfristig zu einer grundlegenden Philosophie statt nur einer fest definierten Werbeform entwickeln – Werbung, die Glaubwürdigkeit und Authentizität in ihren Kern rückt.

Mehr Authentizität mit Stories wagen

Erst kürzlich hat Instagram mit „Instagram Stories“ einen Frontalangriff auf Snapchat gestartet. Neben dem Upload von statischen Bildern haben Instagram-User nun auch die Möglichkeit, bis zu 15-sekündige Videoschnipsel aufzunehmen, die unterbrechungsfrei und in chronologischer Reihenfolge abgespielt werden – unabhängig von der klassischen Timeline. Der Clou: Video-Postings gab es bei Instagram zwar schon länger, doch einmal aufgenommen waren diese auf ewig sichtbar. Die Aufnahmen der „Stories“ verschwinden dagegen nach 24 Stunden im Nirvana.

Es ist dieser Reiz des Vergänglichen, das auch Snapchat populär gemacht hat. Wenn Inhalte nach spätestens einem Tag sowieso gelöscht werden, warum dann lange Zeit aufwenden für die perfekte Aufnahme? Automatisch entstehen Videoclips, die Influencer in ihrem ungeschönten Alltag zeigen, von vollen Schlangen am Checkin-Schalter bis zum Aufstehen nach viel zu wenig Schlaf. Durch das lückenlose Aneinanderreihen der kurzen Schnipsel bleibt der Betrachter automatisch am Ball – obwohl der jungen Generation eine Aufmerksamkeitsspanne von nur noch 8 Sekunden attestiert wird, starren die Follower im Fall von Snapchat oder Instagram Stories wie gebannt auf den Bildschirm.

Die offensichtliche Kopie des beliebten Stories-Features auf Snapchat ist nichts anderes als eine Reaktion auf die Sehnsucht der jungen Zielgruppe nach mehr Authentizität. Mehr noch: Es bereichert die sonst so heile Welt von Instagram, die minutiös geplanten und häufig nachbearbeiteten Fotos um einen Blick hinter die Kulissen. So wie sich Instagram und Snapchat perfekt ergänzen, greifen nun auch das „klassische“ Instagram und sein Stories-Feature spielend ineinander. Wenn Instagram das „Best of“ aus dem Alltag der Influencer ist, sind Instagram Stories bzw. Snapchat das „Making of“.

Die Weiterentwicklung von Instagram sendet ein klares Signal: Die Popularität von Influencern steht und fällt bereits heute mit deren Authentizität. So sehr wir uns auch in Zukunft an spektakulär aufgemachtem Bild- und Videomaterial in unserem Netzwerk erfreuen werden, so sehr sehnen wir uns nach Bestätigung, dass hinter populären Accounts letztlich auch nur ganz normale Menschen stecken. Es ist diese emotionale Nähe, die der perfekten Welt von Instagram seit jeher fehlt – und nun auch Plattform-intern ihr passendes Gegenstück gefunden hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Marketer nun auf Snapchat oder Instagram Stories setzen sollten. Wichtig ist, sämtliche Kanäle sinnvoll miteinander zu kombinieren und damit sowohl von langlebigem Content als auch tiefer Glaubwürdigkeit zu profitieren.