Meinung: Snapchat vor dem Aus?

Als Instagram im August 2016 seinen offensichtlichen Klon des bis dahin populären Snapchat veröffentlichte, war der Aufschrei groß. Instagram Stories wurde als dreiste Kopie abgetan, als zweifelhafte Kampfansage von Mark Zuckerberg an Snapchat CEO Evan Spiegel, der ein Kaufangebot durch Facebook in der Vergangenheit mehrfach abgelehnt hatte. Entsprechend groß war die Skepsis, dass Instagram Stories dem Platzhirschen die Stirn bieten könnte. Der Schlagabtausch war eröffnet, Instagram Stories vs. Snapchat: Runde 1.

Auf der Überholspur

Keine 1,5 Jahre später haben sich die Machtverhältnisse komplett gedreht: Die Ergänzung des sonst so perfekten Instagram-Feeds um authentische Stories-Beiträge war goldrichtig, diejenigen, die sich bis dato nicht an die wenig intuitive Benutzerführung von Snapchat herangetraut hatten, fanden mit der Stories-Funktion die ideale Lösung in gewohnter Umgebung vor. Die letzten Zahlen sprechen für sich: Im November 2017, etwas mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung von Instagram Stories, verkündete Zuckerberg bereits täglich über 300 Millionen aktive User und damit beinahe doppelt so viele wie bei Konkurrent Snapchat mit 173 Millionen. Das Erfolgsrezept: Neben dem komfortablen Einstieg innerhalb der Instagram-App wird die Stories-Funktion Monat um Monat erweitert. Inzwischen finden sich dort auch ähnliche Augmented Reality-Filter wie bei Snapchat, Nutzer können Umfragen und Links einbinden und erhalten detaillierte Statistiken zu den Abrufzahlen – ein wichtiges Kriterium für die Vermarktung.

Jeglicher Kritik wurde damit allmählich der Wind aus den Segeln genommen. Und für Influencer, die anfänglich noch mit gleichem Content auf zwei unterschiedlichen Kanälen jonglierten, geriet der Kampf von Instagram Stories vs. Snapchat bald zur wortwörtlichen Zerreißprobe. In letzter Konsequenz haben sich viele von ihnen inzwischen auf die Seite von Instagram Stories geschlagen, manche posten noch kurze Ausschnitte auf Snapchat, die Vollversion des Tages findet sich jedoch auf Instagram Stories. Und Snapchat? Die App positionierte sich zuletzt verstärkt in Richtung Augmented Reality, lässt Nutzer inzwischen auch eigene Filter kreieren – gegen Bezahlung. Wirklich bahnbrechende Wettbewerbsvorteile suchen Nutzer allerdings vergebens, stattdessen fordern Kylie Jenner und Rihanna (infolge einer peinlichen Werbeaktion von Snapchat) jüngst sogar dazu auf, die App zu löschen.

Unter dem Radar

Unweigerlich drängt sich die Frage auf: Steht Snapchat vor dem Aus? Angesichts der genannten Fakten scheint ein klares Ja naheliegend. Demgegenüber stehen allerdings jüngste Studien von Axios und RBC Capital aus den USA, denen zufolge Snapchat noch immer die beliebteste App unter US-Teenagern ist. Das erscheint nicht abwegig, ist es doch gerade diese Generation, die aktiv auf der Suche nach Privatsphäre ist und ihre Social Media-Plattformen nicht mit der großen Schwester oder Mama und Papa teilen will. Das Abwandern der „Großen“ hin zu Instagram und Co könnte die Bindung an Snapchat also noch verstärkt haben. Das deckt sich auch mit unseren eigenen Erfahrungen als Agentur: Tatsächlich sind die Reichweiten auf Snapchat gegenüber Instagram Stories zahlenmäßig kleiner, die Interaktion (zum Beispiel bezogen auf Gutscheineinlösungen) jedoch prozentual gesehen mindestens ebenso hoch, wenn nicht höher. Mitnichten sind Snapchat-Accounts nur noch ein Auffangbecken an passiven Zuschauern.

Für Marken, die eine besonders junge Zielgruppe ansprechen, kann Snapchat daher äußerst vielversprechend sein, gerade auch, weil sich viele Wettbewerber inzwischen abgewendet oder sich erst gar nicht mit Snapchat auseinander gesetzt haben. Das birgt eine gewisse Ironie, denn letzten Endes sind sowohl Journalisten als auch Marketing-Entscheider deutlich älter und dürften subjektiv (auch aufgrund ihres eigenen Nutzerverhaltens) Instagram Stories als führend ansehen – während die Teenager unter dem Radar erleichtert aufatmen. Das Beispiel USA zeigt zudem: Nicht nur auf das Alter, auch auf die Lokalität kommt es an. Kampagnen in Frankreich zeigen etwa eine hohe Snapchat-Affinität, in Italien hat die App seit jeher keinerlei Bedeutung, Instagram Stories hingegen schon.

In die nächste Runde

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Es wäre verfrüht, Snapchat zum jetzigen Zeitpunkt keine Beachtung mehr zu schenken. Totgesagte leben länger? Möglicherweise. Denn der Kampf von Zuckerberg und Spiegel scheint zumindest aktuell noch nicht entschieden. Oder auch – Instagram Stories vs. Snapchat: Runde 2.

Meinung: Einfach mal loslassen

Während traditionelle Werbeformen auf Klickfang gehen, kümmert sich Influencer Marketing um eine ungleich komplexere Aufgabe: den Aufbau von authentischen Beziehungen. Wo klassische Werbung meist Impulse zum Kauf setzt, arbeitet Influencer Marketing an der Grundvoraussetzung, damit jener Impuls überhaupt ausgelöst wird – und lässt die Überzeugung sukzessive reifen.

Marken sind durch die neuartige Herangehensweise zum Umdenken gezwungen. Denn wo Influencer Tür und Tor zur Käuferschaft öffnen können, werden sie umgekehrt schnell zum Gatekeeper. Diese Abkehr von klassischer top-down-Platzierung von Werbung führt in der Praxis zwangsweise zu Differenzen. Die häufigsten Fehler, die Marken zum Verhängnis werden:

  1. Mangelnde Wertschätzung
    Influencer übernehmen die zielgruppengerechte Platzierung über mehrere Kanäle hinweg, von quasi-professioneller Kreativarbeit bis zur persönlichen Ansprache mehrerer tausend Follower und der Beantwortung von Fragen. Während alleine für Kreativagenturen enorme Budgets bereit gehalten werden, ist die Zahlungsbereitschaft für das Rundum-Sorglos-Paket der Influencer vergleichsweise gering.
  2. Enge Vorgaben
    Wer den Content möglichst genau definiert, kann sich über den Output sicher sein. Stimmt, oder? Falsch. Wer die Zielgruppe des Influencers erreichen möchte, lässt diesen am besten frei vortragen. Nur so erzielen Marken eine glaubwürdige Platzierung und damit den maximalen Return. Gleiches gilt, wenn eine viel zu hohe Anzahl an Postings in einem viel zu engen Zeitfenster gefordert wird.
  3. Totale Kontrolle
    Lieber nochmal nachprüfen: Marken treiben es mit Briefings auf die Spitze (und Influencer zur Weißglut), wenn jedes Posting noch einmal zur Prüfung eingereicht werden soll. Die Aussage dahinter: Wir vertrauen dir nicht, dass du deine Sache gut machst. Die echte Überzeugung des Influencers gegenüber der Marke bleibt dabei auf der Strecke.

Die Ironie: Wo Marken sich zunächst höflich bei Influencern vorstellen und ein Verständnis füreinander aufbauen müssten, preschen sie vorschnell mit strikten Vorgaben voran. Die Folge sind verärgerte Botschafter, offensichtlich vorgefertigte Social Media-Postings und gescheiterte Beziehungen. Um jedoch wirklich in der Sprache der Zielgruppe zu sprechen und die Gunst der Influencer für sich zu gewinnen, müssen Firmen vor allen Dingen eines lernen: Loszulassen.

Influencer sind eine großartige Möglichkeit, um die potenzielle Käuferschaft zu erreichen, sie übernehmen einen Großteil der Kreativarbeit und leisten häufig deutlich mehr als ursprünglich von ihnen verlangt wurde. Und das alles schlicht und ergreifend, weil sie ein Produkt überzeugt hat. Wenn sich Influencer jedoch von Beginn an bevormundet fühlen, wenn Vertrauen und Wertschätzung fehlen, dann ist die Grundlage einer guten Beziehung im Keim erstickt. Influencer sind keine Dienstleister, sondern Vorbilder für mehrere tausend Menschen, die Marken die Nutzung ihrer mühsam aufgebauten Glaubwürdigkeit gewähren. Das sollte in jeglicher Hinsicht honoriert werden.

Meinung: Micro Influencer mit großem Potenzial

Liest man über Influencer Marketing, so könnte man meinen, dass es den meisten nur um eines geht: Große Reichweiten für kleines Geld. Und das stimmt – im Vergleich zu klassischen Werbemedien lockt Influencer Marketing mit einem Tausender-Kontakt-Preis im mittleren einstelligen Bereich. Kein Wunder also, dass sich insbesondere größere Unternehmen auf die wenigen High-Reach-Accounts jenseits der 100k stürzen und mit vergleichsweise geringem Budget ein Millionenpublikum zu erreichen versuchen.

Doch wie sinnvoll ist dieses Vorgehen? Gewagte These: Wenn es bei Influencer Marketing letztlich um authentische Beziehungen geht, wie glaubhaft sind dann Influencer, deren Alltag eher dem eines Prominenten gleicht als der besten Schulfreundin? Wenn gerade die junge Generation Werbung in jeglicher Form meidet, wie effektiv sind offensichtliche Produktplatzierungen, heute für Uhr x und morgen für Uhr y? Je umkämpfter der Markt für Influencer und je häufiger die Platzierungen, desto schwieriger wird es – für Unternehmen und Influencer gleichermaßen – die gewünschte Glaubwürdigkeit und „echte“ Bindung an die Marke aufrecht zu erhalten. Ein Umstand, der durch die Tatsache, dass Instagram zukünftig nur noch den relevantesten Content in den Timelines anzeigen wird, umso wichtiger werden könnte. Denn bereits heute gilt: Je größer die Reichweite, desto kleiner die Interaktion der Abonnenten.

Ein nicht unwesentlicher Faktor ist auch das Thema Re-Targeting. Gerade Influencer Marketing spielt seine Stärken dann aus, wenn Abonnenten möglichst häufig und über einen längeren Zeitraum an einem bestimmten Produkt „vorbeikommen“, den Markenkontext und die offensichtliche Coolness sukzessive verinnerlichen können. Wir kennen die Situation noch vom Schulhof: Wenn plötzlich „jeder“ im eigenen Umfeld die neueste Sneakers-Kollektion trägt, wirkt sie urplötzlich begehrenswert. Ein Rechenbeispiel im Influencer Marketing: 3 Influencer à 500k Follower posten jeweils 2 Produktbilder auf Instagram. Damit stehen schlagartig 3 Mio. Reichweite mit 6 Bildern auf dem Papier. Ein beachtlicher Erfolg. Was wäre nun aber, wenn stattdessen 30 Influencer à 50k Follower ebenfalls 2 Bilder posten? Die Reichweite ist die gleiche, wurde jedoch mit insgesamt 60 Postings erzielt. Im zweiten Fall ergibt sich ein ungleich höheres Re-Targeting mitsamt höherer Interaktionsraten und zielgerichteter Ansprache. Netter Nebeneffekt: Die finanziellen Aufwände sind meist die gleichen (oder sogar niedriger) und Marken wachsen bereits früh mit ihren Influencern mit – das stärkt die Glaubwürdigkeit enorm.

Hiermit soll die Wirkung der Stars der Szene keinesfalls geschmälert werden. Vielmehr haben auch die vermeintlich Kleineren Aufmerksamkeit verdient. Die so genannten „Micro Influencer“ spielen bereits ab 5.000 Followern ihre Stärken aus, bleiben im aktuellen Hype aber häufig unter dem Radar. Der Nutzen großer Accounts mag je nach Vorhaben und zeitlichem Horizont unbestritten sein, doch ein gesunder Mix aus kleinen und mittelgroßen Accounts und einigen „Reichweitenspitzen“ sorgt oftmals für den nachhaltigeren Erfolg.